Häufige Fragen

Kann es strafrechtlichen Konsequenzen für mich als Unterstützer*in geben?

Das öffentliche Aufrufen zur Unterstützung abschiebebedrohter Menschen kann eine nach § 111 StGB strafbare Handlung sein (Aufruf zu öffentlichen Straftaten). Dann müssten jedoch konkrete Angaben und Beweise für eine rechtswidrige Tat vorliegen. Die Tätigkeit und Unterstützung unseres Netzwerkes könnte zwar als Beihilfe zu illegalem Aufenthalt (§ 95 AufenthG) gewertet werden. Die von uns praktizierte Hilfe stellt jedoch keine solche Beihilfehandlung zu einem rechtswidrigen Aufenthalt dar, soweit die unterstütze Person noch über eine gültige Duldung (Bescheinigung über die vorübergehende Aussetzung einer Abschiebung, die die Strafbarkeit eines illegalisierten Aufenthalts entfallen lässt) verfügt – und das ist keine Seltenheit – dann ist es nichts anderes als Gastfreundschaft, diese Person zu beherbergen. In vielen Fällen ist es daher von vornherein – mangels Erfüllung des Tatbestandes – nicht möglich, die Bereitstellung einer sicheren Unterkunft zu kriminalisieren. Anders sieht es bei Menschen aus, die keinerlei gültigen Aufenthaltsstatus mehr besitzen.  Wir bewegen uns dann im Bereich der Illegalisierung und des zivilen Ungehorsams. Nicht jede solidarische Unterbringung mag daher ,,legal“ sein, aber immer legitim und menschlich notwendig!

Die bisherigen Erfahrungen aus anderen Städten zeigen, dass versucht werden könnte, Unterstützer*innennetzwerke für abschiebebedrohte Menschen zu kriminalisieren. Die Unterstützung unseres Netzwerkes kann daher polizeiliche Ermittlungen und strafrechtliche Verfahren zur Konsequenz haben. Je breiter eine Kampagne des zivilen Ungehorsams jedoch getragen wird, umso unwahrscheinlicher ist die Einleitung einer Strafverfolgung. Doch wir können dies nicht völlig ausschließen und deshalb sollten sich alle Unterstützer*innen unseres Netzwerkes des Risikos bewusst sein. Wir gehen jedoch davon aus, dass es im schlimmsten Fall zu einer Geldstrafe kommen würde. Die Folgen für die unterstützen Menschen wären jedoch weit schwerwiegender: Haftstrafen wegen illegalisierten Aufenthalt oder Abschiebehaft und Abschiebung.

 

Wie wird meine Sicherheit gewährleistet?

Wir versuchen die Daten von dir und allen anderen Beteiligten unseres Netzwerkes bestmöglich zu schützen. Nirgendwo im Internet werden wir Namen und Adressen speichern. Wir kommunizieren mit Verschlüsselung, wobei wir keine sensiblen Informationen verlangen oder benutzen. Stattdessen legen wir viel Wert auf persönlichen Kontakt statt auf Austausch über Mail und Telefon. Auf den Fall einer strafrechtlichen Verfolgung sind wir dennoch vorbereitet und versuchen das Risiko dafür durch eine sichere Organisierung unserer Arbeit, sowie durch unsere Zusammenarbeit mit Anwält*innen zu minimieren und vermeiden.

 

Welche Prinzipien sind euch wichtig?

Wir unterscheiden nicht zwischen schützendswerten und nicht schützendswerten Menschen:

Wir lehnen alle Abschiebungen ab, unabhängig davon, wer ihre Betroffenen sind und an welche Orte sie erfolgen. Ob sie aufgrund von Rechtsübertritten verurteilt wurden, ob sie als „gefährlich“ eingestuft werden, oder ihre „Herkunftsstaaten“ als vermeintlich „sicher“ gelten – niemand soll abgeschoben werden!  Wir glauben, dass Menschen berechtigte Gründe dafür haben, sich dafür zu entscheiden ihre Heimat verlassen, migrieren oder fliehen zu müssen. Wir maßen uns deshalb nicht an darüber urteilen zu können, ob und wann Menschen Sicherheit benötigen dürfen oder nicht. Wir trauen allen Menschen zu diese Entscheidung selbst treffen zu können. Abhängig von unseren Mitteln und Kapazitäten versuchen wir deshalb allen Menschen zu helfen.

Gleichberechtigte Zusammenarbeit:

Durch sichere Räume wollen wir es den Betroffenen ermöglichen, selbstbestimmt handeln zu können. Das heißt, wir geben keine Regeln vor, nur weil wir Menschen Sicherheit bieten. Es geht nicht darum, dass wir Menschen ,,Asyl“ oder ,,Schutz“ bieten. Es geht um das Recht auf Bewegungsfreiheit, in dem Menschen selbstbestimmt Leben können. Durch bereitgestellte Räume soll den Menschen nur Rechte gewährt werden, die ihnen sowieso zustehen. Damit stehen die Bedürfnisse und Wünsche der Betroffenen im Vordergrund. Entscheidungen und Regelungen werden dementsprechend auf Basis der Bedürfnisse, gleichberechtigter Gesprächen und Vereinbarungen getroffen.

Reflexion von Privilegien und Machtverhältnissen:

Wir leben in einer Gesellschaft, in der Diskriminierung alltäglich ist. Häufig geschieht dies unbemerkt durch Personen, die selbst nicht von der Diskriminierungsform betroffen sind. Alle, die in einem Umfeld aufgewachsen sind, in dem Diskriminierungen stattfinden, haben unbewusst diskriminierendes Verhalten verinnerlicht. So können weiße Menschen, die sich ihrer Privilegien nicht bewusst sind, trotz guter Absichten rassistisch agieren. Das selbe gilt in Bezug auf andere Machtstrukturen. Deshalb glauben wir, dass wir alle davon profitieren, wenn wir uns unserer diskriminierenden Verhaltenweisen, unserer diskriminierender Sprache und Haltungen bewusst werden, sie versuchen zu vermeiden und im besten Fall zu verlernen. Lasst uns an uns selbst und unserer Umgebung arbeiten, damit jede solidarische Unterbringung ein Ort sein kann, an dem Rassismen, Sexismen, Homo- und Transphobien, Ableismen und jeglichen weiteren Diskriminerungsformen entgegen getreten wird.

 

Wie kam es zur Entstehung der bundesweiten Antiabschiebenetzwerke?

Die bundesweiten Netzwerke zur Unterstützung abschiebebedrohter Menschen (mehrheitlich ,,Bürger*innenasyle“ genannt) haben sich aus der Auseinandersetzung mit den Sanctuary Cities und Solidarity Cities in den USA, Kanada und GB entwickelt. ,,Sanctary Cities“ in den USA sind etwa Städte, die sich der Zusammenarbeit mit nationalen Abschiebebehördern verweigern und illegalisierten Menschen seit Jahrzehnten Schutz vor Ausweisung und Zugang zu gesellschaftlicher Teilhabe ermöglichen. In Anlehnung daran und im Widerstand gegen die Sammelabschie-bungen, sog. Abschiebecharter nach Afghanistan, sind sie dann in Deutschland erstmals konkret geworden. Inspiriert wurde diese Entwicklung aber vor allem von der Community- Solidarität der betroffenen Menschen mit Abschieberisiko, die in großer Mehrheit von Verwandten und Bekannt*innen – trotz erheblich größerem Risiko der Strafverfolgung – untergebracht und unterstützt werden. Das sogenannte ,,Bürger*innnenasyl“ sollte hier und in Bezug auf das Kirchenasyl politische Rückendeckung und unterstützende Kooperationen schaffen. Ziel ist es den politischen Preis für Abschiebungen hochzutreiben und perspektivisch – wenn sich in vielen Städten Tausende in ähnlichen Initiativen beteiligen – solche unmenschlichen Abschiebe-praktiken politisch unmöglich zu machen.
Hinter der Praxis aller ,,Bürger*innenasyle“ steckt die Vision einer offenen, sozial gerechten Gesellschaft, in der alle Menschen dieselben Menschenrechte haben auf Wohnraum, Bildung, Gesundheit, Grundeinkommen und Mobilität – unabhängig von Herkunft, (Aufenthalts-)Status oder Pass.

 

In welchen Städten gibt es überall Initiativen wie euch?

Alle aktuellen Infos dazu findest du hier:   https://aktionbuergerinnenasyl.de/ 

Im Unterschied zu anderen Städten hat sich die Initiative in Halle anders benannt, weil die Bezeichung ,,Bürgerinnenasyl“ für uns das Bild eines hierarchischen, statt gleichberechtigten Verhältnisses vermittelt, in dem deutsche ,,Staatsbürger*innen“ gegenüber illegalisierten Menschen in den Vordergrund gestellt werden und rassistische Entscheidungsmacht besitzen. Zudem ging die historische Entwicklung und Praxis des kirchlichen und staatlichen Asyls stetig mit Hierarchie, Selektion und/oder Unterdrückung einher. Auch deshalb ist die Anwendung des (Bürger*innen-) Asylbegriffes für uns grundsätzlich abzulehnen.

 

Warum gegen jede Abschiebung?

Abschiebungen sind generell (und nicht nur in bestimmte Länder und unter bestimmten Umständen) als Verbrechen zu bewerten. Dies folgt aus dem Grundsatz, dass jede Person unabhängig von Herkunft, Hautfarbe, Sprache und vielen weiteren zufälligen Eigenschaften gleichberechtigt zu behandeln ist. Daraus entspringt das Grundrecht, dass jede Person gehen, kommen und bleiben darf wohin bzw. wo diese will. Um es deutlich auszudrücken: Auch sogenannte ,,Straftäter*innen’’ oder angebliche ,,Gefährder’’ dürfen nicht als Strafe abgeschoben werden, sondern müssen nach den selben Rechten wie alle anderen behandelt werden. Neben dieser Grundüberzeugung/-vorraussetzung gibt es viele weitere Gründe, weshalb die Abschiebung von Menschen niemals gerechtfertigt sein und werden kann:

1. Abschiebungen sind Gewalt

Abschiebungen sind Zwangsmaßnahmen, die immer gegen den Willen der Betroffenen stattfinden. Immer wieder werden dabei Fälle öffentlich, in denen Polizist_innen bei Abschiebeprozessen körperliche Gewalt ausüben – bis hin zu Mord. Wir erfahren von diesen Fällen meist nur zufällig, da für Abschiebungen keine unabhängigen Beobachtungsstellen existieren und Gewalttaten deshalb nur dann öffentlich werden, wenn die Betroffenen Angehörige oder Unterstützer*innen hinterlassen, die ihre Erlebnisse an die Öffentlichkeit weiterleiten können. Diese Berichte offenbaren, dass es bei Abschiebungen aus Deutschland – genause wie aus anderen Staaten – zu extremen Übergriffen kommt wie dem Anschreien der Betroffenen, Fesselungen, Schlägen, dem Einsatz von Waffen (Pfefferspray, Schlagstock etc.), Zwangsmedikationen für Betäubungen oder Misshandlungen und Demütigungen in Abschiebegefängnissen. Die Behörden veranlassen dabei nicht selten willkürliche Inhaftierungszeiten, Trennungen von Familien, Abschiebungen von Kindern aus Schulen und sogar schwangeren und kranken Menschen aus klinischen Einrichtungen, ungeachtet der psychischen und traumatischen Folgen für die Betroffenen. Diese Verbrechen werden weder politisch noch medial ausreichend thematisiert, noch aufgearbeitet oder verurteilt. Das ist kein Zufall, denn u.a. die Ermordung von Amir Ageeb, der 1999 während seiner Abschiebung von deutschen Polizisten zu Tode drangsaliert wurde, oder der unaufgeklärte Tod von Rashid Sbaai, der im selben Jahr im Abschiebegefängnis Büren verbrannte, sowie viele weitere Ermordungen von migrantisierten/rassifizierten Menschen durch Polizeigewalt innerhalb der letzten Jahre, machen deutlich, dass die staatlichen Behörden kein Interesse an Aufklärung und Verantwortungsübernahme haben, sondern diese im Gegenteil konsequent aktiv verhindern, vertuschen und verweigern. Deshalb kann den deutschen Asyl- und Abschiebebehörden niemals vertraut werden, auch weil ihre Funktionweise immer mit Willkür, Gewalt und der Verletzung/Gefährdung von Leben einhergeht. Abschiebungen sind aber nicht erst durch ihre Form und konkrete Anwendung gewaltvoll. Allein ihre Bedrohung lässt viele betroffene Menschen unter Angstzuständen leiden. Schlaflosigkeit, Depressionen, Suizidgedanken und andere psychische Störungen können die Folgen sein. Zahlreiche von Abschiebung bedrohte Menschen nahmen sich in den vergangen Jahren aus Verzweiflung und Perspektivlosigkeit heraus das Leben. Abschiebungen lassen sich deshalb nicht reformieren, weil sie per se Gewalt sind.

2. Abschiebungen gefährden Menschenleben

Durch Abschiebungen werden Menschen oft schutz- und mittellos an Situationen wie Wohnungslosigkeit, Mangelversorgung, sozialer Isolation, Diskriminierung und Gewalt ausgeliefert. Das Fehlen von Hilfe und ausreichender Nahrung, einer Unterkunft (besonders in Wintermonaten) oder notwendiger medizinischer Versorgung kann vor allem das Leben besonders schutzbedürftiger Personengruppen, wie ältere und kranke Menschen, von Kindern und (schwangeren) Frauen, gefährden. Vor allem Abschiebungen in international geltende Krisengebiete und Staaten mit diktatorischen Regierungen, in denen bewaffnete Konflikte, Anschläge oder Verfolgung, willkürliche Inhaftierung und Folter zum Alltag gehören, gefährden das Leben von Betroffenen. Aus diesen Gründen kommt hinzu, dass abgeschobene Menschen häufig die Entscheidung treffen müssen, erneut zu fliehen und dadurch wiederholt ihr Leben riskieren zu müssen. Dennoch lässt die Bundesregierung in Kriesengebiete und Diktaturen wie z.B. Afghanistan, Somalia, Iran und China (u.a.) abschieben. Dabei belegen unabhängige Recherchen immer wieder, dass Menschen nach ihrer Abschiebung – auch durch andere Staaten – Opfer von Gewalt, Inhaftierung, Folter und Morden werden oder spurlos verschwinden. Diese Folgen von Abschiebungen werden von Regierungen jedoch bewusst ignoriert und durch die Erklärung ,,sicherer Herkunftsstaaten’’ als unbedenklich verkauft. Da Abschiebungen von den Behörden immer anonym gehalten werden, können die Schicksale von Betroffenen jedoch kaum verfolgt werden und in der öffentlichen Debatte eine Rolle spielen. Abschiebungen erfolgen aber niemals in ,,sichere’’, sondern immer in menschenunwürdige oder lebensgefährliche Situationen. Abschiebungen sind deutliche Beispiele dafür, wie die EU-Staaten durch Grenzschutzmaßnahmen versuchen Menschen vom Fliehen abzuhalten und dabei nicht davor zurückschrecken, Verträge mit diktatorischen Regimen abzuschließen, damit diese die eigene Bevölkerung an der Flucht hindern. Grenzen werden geschlossen und die Fluchtrouten immer risikoreicher – zum Preis von verletzten, traumatisierten und toten Menschen.

3. Abschiebungen setzen (post-)koloniale Machtverhältnisse fort

Abschiebungen beruhen auf einer rassistisch hierarchisierten Gesellschaft. Nur wer unter den völkisch-nationalistischen und rassistischen Vorzeichen der deutschen Gesetzgebung Staatsangehörigkeit zugestanden bekommt, erhält Bewegungsfreiheit und darf uneingeschränkt leben. Dagegen dient die Zuschreibung nicht deutscher Staatsangehörigkeiten und Aufenthaltstitel dazu, Menschen in Personen zweiter und dritter Klasse einzuteilen, die weniger oder keine Rechte haben. Von Abschiebungen sind deshalb nicht alle Menschen in Deutschland betroffen, sondern nur migrantische, geflüchtete, Schwarze und PoC Personen (People of Color). Insbesondere in einem Staat und einer Gesellschaft, die ihr ideologisches Erbe aus Nationalsozialismus und Kolonialismus nie aufgearbeitet haben, bergen Abschiebungen historische Konnotationen, die keine Verantwortungsübernahme für Vergangenes vermuten lassen, sondern dieselben Konstrukte von Staat, Nation und Grenzen reproduzieren. Besonders deutlich zeigen sich diese kolonialen Kontinuitäten auch in der Absicherung des gesellschaftlichen Wohlstands durch die Ausbeutung migrantischer und illegalisierter Arbeiter*innen, die unter extrem ungleichen und unwürdigen Bedingungen arbeiten müssen ohne sich wehren zu können. Zu groß ist die Angst nicht bezahlt oder an die Behörden gemeldet und abgeschoben zu werden. Gleichzeitig müssen in vielen anderen Teilen der Welt Menschen unter lebensbedrohlichen Bedingungen arbeiten, um Waren und Rohstoffe für den deutschen Markt zu produzieren, ohne im Gegenzug die Chance zu erhalten legal nach Deutschland einreisen zu dürfen. Im Gegensatz dazu können weiße deutsche Europäer*innen in fast alle Länder der Welt reisen, um dort Urlaub zu machen, zu arbeiten oder zu leben, wobei sie keine großen Schwierigkeiten oder Konsequenzen befürchten müssen. Diese Fortsetzung kolonialer Gesellschaftsmuster und die Absicherung eines aus dem europäischen Kolonialismus resultierenden Wohlstands zeigen, dass die hiesige Gesetzgebung rund um das Thema Migration und Flucht von rassistischen Denkmustern geprägt ist. Dabei ist die Migrationskontrolle auch von kapitalistischer Verwertungslogik für den Arbeitsmarkt und einer Beschränkung des Zugangs zu sozialstaatlichen Leistungen bestimmt. Die Menschen, die etwas Hilfreiches für das Wirtschaftswachstum beitragen können und den Staat kein Geld kosten, erhalten eine kleine Chance. Alle anderen Menschen werden entrechtet und aussortiert.

4. Abschiebungen sind politische Werbemittel

Das Abschiebesystem samt Knästen, Charterflügen, Behörden, Sammelunterkünfte etc. kostet jährlich bedeutend mehr Steurgelder, als Unterkunft, Grundsicherung und Ankommensmaßnahmen für Betroffene an Ausgaben verursachen würde. Ihr Zweck ist kein wirtschaftlicher – entgegen ihrer öffentlichen Rechtfertigung über die angebliche Belastung der Sozialsysteme. Ihr Zweck ist die Repräsentation staatlicher Macht, das Schauspiel einer funktionierenden Staatsgewalt und politisches Werbemittel. Über Abschiebungen sollen rassistische Wähler_innen zurück zum Vertrauen in ihren rassistischen Staat gebracht werden – ungeachtet der menschlichen, finanziellen, ethischen und ideologischen Kosten. Zu diesem Schauspiel gehört auch Abschiebungen als erfolgreicher zu verkaufen als sie wirklich sind. Denn die Mehrzahl aller Abschiebungen scheitert daran, dass die von ihr bedrohten Menschen aus Widerstand längst untertauchen. Schätzungsweise eine halbe million Menschen leben bundesweit in illegalisierten Verhältnissen ohne legalen Zugang zu Bildung, Arbeit, Gesundheitsversorgung und anderer gesellschaftlicher Teilhabe. Sie werden entrechtet und unsichtbar gemacht, sind aber oft schon seit langem Teil der Gesellschaft. Abschiebungen führen deshalb vor allem zu einer erhöhten Bedrohung, Verletzlichkeit und Verschärfung der oft ohnehin schon extrem prekären und menschenunwürdigen Lebensbedingungen migrantisierter und geflüchteter Menschen.

5. Abschiebungen beruhen auf rassistischen, willkürlichen und ungerechten Asylurteilen

Abschiebungen und Asyl gehören zusammen, denn wer die einen Schutzstatus zuerkennt, schiebt die anderen ab. Die Propagierung ,,gerechter’’ Asylentscheidungen dient den Regierungen und Behörden lediglich als Vorwand, um jede Gewalt und Rechtsübertretung bei Abschiebungen als ,,ordnungsgemäße Maßnahme’’ zu rechtfertigen. Ob ein Mensch Asyl erhält oder nicht, hängt jedoch maßgeblich davon ab, ob zuständige Sachbearbeiter*innen und Richter*innen Fluchtbegründungen als glaubwürdig und genügend erachten oder nicht. Vor allem Menschen aus sogenannten ,,sicheren Herkunftsstaaten’’ wird schon im Vorfeld unterstellt, keine legitimen Fluchtgründe zu haben. Ein Asylantrag ist für sie meist völlig aussichtslos. In sehr vielen Fällen werden Asylanträge nicht einmal bearbeitet, weil andere EU Staaten für sie verantwortlich gemacht werden (sog. Dublin Fälle). An dieser Funktionsweise und Chancenlosigkeit vieler Asylgesuche wird die Willkür und Ungerechtigkeit des Asylsystems deutlich. Zudem wird die Ausschlussfunktion des Asylsystems, angetrieben von rechter Hetze und Stimmungsmache, durch immer neue Gesetzesverschärfungen permanent erweitert. Immer mehr Herkunftsländer werden zu ,,sicheren Staaten’’ erklärt, um schneller und leichter dorthin abschieben zu können. Das sogenannte ,,Recht auf Asyl’’ dient nicht dazu, Menschen zu schützen, sondern um erfolgreiche Migration zu beschränken, zu verhindern bzw. mit allen Mitteln rückgängig zu machen.

Deswegen: Konsequent gegen jede Abschiebung!

Es braucht kein Asylsystem, sondern die Abschaffung von Grenzen und sichere Reisewege. Nur so kann auf kolonial und kapitalistisch strukturierte Gesellschaftssysteme, Klimawandel und den rassistischen Normalzustand reagiert werden.

Anstatt Millionen von Steuergeldern für den Aufbau und Betrieb von Sammellagern, Sicherheits- und Abschiebemaßnahmen zu verschwenden, müssen Ankunftshilfen und Teilhabemöglichkeiten gefördert werden. Geflüchtete Menschen dürfen nicht sinnlos lange auf Behördenentscheidungen und in Massenunterkünften warten müssen. Sie müssen schnell eigene Wohnungen beziehen und Zugang zu Sprachkursen erhalten, um sich verständigen zu können und in der Gesellschaft zurechtzufinden. Sie brauchen Unterstützung beim Aufbau von Perspektiven für ihr Leben durch geeignete, unabhängige Beratungsstellen. Sie müssen selbstgewählten schulischen und beruflichen Beschäftigungen nachgehen dürfen, um sich diesen Neuaufbau selbstständig ermöglichen zu können. Geflüchtete Menschen könnten so schnell von unterstützungsbedürftigen Personen zu eigenständigen Nachbar*innen und Kooperationspartner*innen werden.

Eine andere Gesellschaft kann möglich sein: Vor allem die ,,Sanctuary’’ und ,,Solidarity Cities’’ in den USA machen seit Jahrzehnten deutlich, wie ein Zusammenleben ohne Abschiebungen auf städtischer Ebene funktionieren kann. All diese Städte haben Maßnahmen und Regelungen ergriffen, die geflüchteten und illegalisierten Menschen einen gleichberechtigten Zugang zu öffentlichen Dienstleistungen und wirtschaftlichen Perspektiven gewähren und sie vor der Repression und Verfolgung staatlicher Abschiebebehörden schützen – zum gesellschaftlichen Wohl aller dort lebenden Menschen.

Abschiebungen und die Unsichtbarmachung und Entrechtung illegalisierter Menschen müssen aus all diesen Gründen endlich beendet werden. Nur eine offene Gesellschaft für alle ist menschlich, reich und eine lebenswerte Alternative zur einer durch Rassismus, Hetze und Gewalt konstruierten ,,Nation“ eines in sich selbst gefangenen ,,Volkes“.